Assoziationen

„Ein Kind, das zwar sämtliche grammatischen Äußerungen präsent hat, aber nicht weiß, welche es gebrauchen soll, oder nicht weiß, wann es sprechen soll und wann nicht, wäre eine kulturelle Abnormität.“
D. Hymes 1973, Modelle für die Wechselwirkung von Sprache und sozialer Situierung.

Während der dialogischen Interaktion, insbesondere im zweiten und dritten Lebensjahr, treten Äußerungen auf, die darauf hinweisen, dass das Kind den bisherigen Gesprächsfaden verlässt.

Plötzlich bringt es in seiner Antwort einen sprachlichen Inhalt ein, der keine Verbindung zum bisherigen Thema hat.

Solche spontanen Assoziationen können auf zwei Ebenen ausgelöst werden: auf der Satzebene und auf der Lautebene. 

Auf der Satzebene handelt es sich um syntagmatische Assoziationen, während auf der Lautebene phonetisch-phonologische Assoziationen auftreten.

Syntagmatische Assoziationen

Wörter können in verschiedenen Varianten in Sätzen kombiniert werden. In der realen Alltagskommunikation sind solche Kombinationsmöglichkeiten in gewisser Weise „vorgeschrieben“. 

Wie sie auftreten, wird zunächst von der Situation bestimmt, aus der heraus ein bestimmter Inhalt thematisiert wird. Nach der Wahl eines Themas spielen jedoch auch stochastische Prozesse eine Rolle. 

Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Wörtern von den vorherigen Wörtern abhängt. In der grammatikalischen Analyse von Sprachstrukturen verwendet man in diesem Zusammenhang auch die Begriffe „Rektion“ und „Valenz“. 

Wenn beispielsweise das „Trinken“ einer Person als Thema aufgegriffen wird, so vermittelt das Prädikat „trinken“ spezifische Vorstellungen über die Objekte des Trinkens sowie mögliche Eigenschaften des Trinkverhaltens.

Die Wortfolge „Frau Birnbaum trinkt.“ kann in spezifischen Situationen einen vollständigen Satz darstellen. Es ist jedoch möglich, sie mit zusätzlichen Objekten oder adverbialen Bestimmungen zu erweitern, wie zum Beispiel: „Frau Birnbaum trinkt Bier.“ oder „Frau Birnbaum trinkt Espresso immer hastig.“ Die Hinzufügung „Frau Birnbaum trinkt Mettwurst.“ wäre jedoch unangemessen und wird in der Kommunikation höchstwahrscheinlich nicht vorkommen.

Die genannten Kombinationen beruhen auf Bedeutungsbeziehungen. Die frühen syntagmatischen Assoziationen des Kindes deuten darauf hin, dass es dabei ist, diese grundlegenden semantischen Beziehungen zwischen Sätzen aufzubauen. 

Im nachfolgenden Dialog wird verdeutlicht, wie zuvor gehörte Wortverbindungen aktiviert werden. 

Offensichtlich führt der Abgleich mit der realen Situation, das Hören sprachlicher Rückmeldungen und die Anreicherung des Bedeutungswissens im Laufe der Zeit dazu, dass nur die syntaktisch möglichen Ergänzungen situationsabhängig verwendet werden.

ALTER: 2;10

SITUATION: Beim Betrachten eines Buches werden Fahrzeuge beschrieben.

ERWACHSENER: Guck, das Personenauto ist kleiner als der Lastwagen.

KIND: Das wird auch groß

ERWACHSENER: Kinder wachsen, aber ein Auto nicht.

(In den letzten Tagen hörte das Kind bei Gesprächen über die jüngere Schwester mehrmals „Sie ist noch klein, aber sie wächst auch noch.“ / „Ja, die wird auch groß“ u.a.)

Phonetisch-phonologische Assoziationen

Viele Wörter weisen eine ähnliche lautliche Struktur auf. Oft handelt es sich um Bezeichnungen für völlig unterschiedliche Sachverhalte oder Objekte. 

Das Kind muss lernen, dass gleiche oder ähnlich klingende Wörter in den meisten Fällen nicht dieselbe oder ähnliche Bedeutung haben. 

Wenn das Kind ein neues Wort hört, das sich auf etwas Neues bezieht, versucht es, das Wort mithilfe seines bisherigen Gedächtnisses zu „erklären“. 

Es greift auf ein phonetisch ähnliches Wort zurück. Man könnte diesen Prozess folgendermaßen beschreiben:

Ein neu wahrgenommenes Wort, das noch keine Bedeutung hat, wird zunächst mit einer perzeptiven (phonetischen) Struktur verglichen, die bereits für eine vorhandene Bedeutungseinheit im Sprachgedächtnis steht und maximal ähnlich zum neuen Wort ist. 

Wenn dann Bedeutungskomponenten für dieses Wort vorhanden sind, kann es phonetisch von ähnlichen Lautstrukturen unterschieden werden. 

Dadurch können auch komplexe Wörter, die sich nur in einem Phonem unterscheiden, als unterschiedliche Bedeutungen klassifiziert werden.