Satzbau

„Das Kind wird bei verschiedenartigen Äußerungsgelegenheiten durch Verstärkung und Löschung dazu gebracht, sich den Normen oder Bezugsgrenzen, die für es festgehalten werden, anzupassen. Indem es die Indikatorwörter (z.B. dieses, dort, jetzt) meistert, lernt es eine Technik höherer Stufe, nämlich wie man entsprechend systematischen Kontext- oder Umgebungshinweisen den Bezug eines Terminus wechselt.“
W. V. Quine 1959, Wort und Gegenstand

Die Entwicklung des Satzbaus (Syntax) ist von entscheidender Bedeutung für eine klare und grammatikalisch korrekte Ausdrucksweise, ebenso wie die Entwicklung der Flexionsmorphologie. In jeder Sprache gibt es spezifische Regeln für die Anordnung von Wörtern in Sätzen oder Ausdrücken. Das Nichtbeachten dieser Regeln kann dazu führen, dass Gesagtes unverständlich oder mehrdeutig wird. Ein Beispiel hierfür ist die Regel, dass in den Sätzen „Menschen essen Hühner“ und „Mücken stechen Menschen“ die Substantive, die das Subjekt und das Objekt repräsentieren, nicht vertauscht werden dürfen. Kinder erlernen diese Regeln zusammen mit den Regeln für die Formveränderung (Flexion) von Wörtern in ihrer Sprache in den ersten 3-4 Lebensjahren.

In der Anfangsphase der Entwicklung strukturierter Grammatik wird eine grundlegende Ausdruckskategorie eingeführt: das Urprädikat. Dies kann als die allererste grammatische Kategorie betrachtet werden. Es wird durch wortähnliche Lautverbindungen oder auch konventionelle Wörter repräsentiert. Jedoch nutzt das Kind diese noch nicht, um Dinge zu benennen (also zu kategorisieren), sondern verwendet diese ersten Wortformen, um auf etwas aufmerksam zu machen – so ähnlich wie „Da ist was!“. Dies stellt eine frühe Form der sprachlichen „Weltbezugnahme“ dar. Später entwickelt sich das Urprädikat in zwei grundlegende Kategorien für die Grammatik: Identifikator und Modifikator.

 

Die Kategorie „Identifikator“ ermöglicht es, auf die Welt zu verweisen, zum Beispiel „Da ist das!“. Die Kategorie „Modifikator“ erlaubt Aussagen über bestimmte Aspekte der Welt, zum Beispiel „Das ist … (Eigenschaft) …“. Wenn das Kind diese beiden Kategorien versteht, kann es sogar zwei Wörter miteinander kombinieren, wie zum Beispiel:

 

„Dift putt“ (Stift kaputt),

„Lade alle“ (Schokolade alle) oder

„Papa Auto“.

 

Ab etwa 2 Jahren und 4 Monaten werden diese Kategorien weiter differenziert: Der Identifikator wird zum grammatikalischen Subjekt und der Modifikator beinhaltet die Kategorien Prädikat und Prädikat mit Angaben. Das Kind kann nun Äußerungen wie

 

„Mama Buch holt“ (Mama=Subjekt, Buch holt=Prädikat mit Angaben)

oder „eine Amsel gesingt“ (Amsel=Subjekt, gesingt=Prädikat) bilden.

 

Bis etwa zum dritten Lebensjahr hat sich eine weitere Differenzierung entwickelt. Das Kind hat nun Baupläne für Sätze, die es ihm ermöglichen, seine Gedanken verständlich auszudrücken. Obwohl es noch Abweichungen in der Wortstellung geben kann, zeigt sich, dass das Kind ein grammatisches Regelwerk beherrscht, das den typischen Strukturen in der deutschen Sprache entspricht. Es kann Sätze formulieren, die bestimmten Regeln folgen, wie zum Beispiel In einfachen Mitteilungssätzen steht das konjugierte Verb an zweiter Stelle. Wenn jedoch ein anderes Satzglied (Adverb oder Objekt) an erster Stelle steht, muss das Subjekt dem konjugierten Verb folgen. Steht ein Hilfsverb als konjugiertes Verb, befindet sich das Objekt zwischen Hilfsverb und Hauptverb.

 

 

Die Entwicklung der spezifischen Anordnung von Wörtern in Äußerungen folgt ähnlichen Grundregeln in allen Sprachen. Die elementaren Kategorien entwickeln sich zu komplexeren Strukturen, die den typischen Wortstellungsregeln der jeweiligen Sprache entsprechen. Da nicht alle Sprachen die Grundstruktur Subjekt-Verb-Objekt verwenden, müssen Kinder die für ihre Sprache typischen Anordnungsregeln aus der gesprochenen Sprache lernen. Diesen Lernprozess bezeichnet man als „datengelenktes Lernen“. Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder auf der Grundlage täglichen Sprachinputs Kernstrukturen entwickeln, die allmählich erweitert werden. Sobald genügend „Daten“ vorhanden sind, bilden sie auf dieser Grundlage induktiv Regeln, die je nach weiterem Input modifiziert oder beibehalten werden.